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ZuHHause..

Wer als Kind öfter mal weitere Strecken oder gar ins Ausland umziehen durfte, fragt sich früher oder später mal (spätestens beginnt es damit dass man danach gefragt wird):
Wo ist eigentlich mein zuhause?

Mit der Frage bin ich aufgewachsen.
Bis zur Einschulung blieb ich nie länger als 2Jahre in einer Stadt, Wohnung, einem Umfeld.
Erst ab der 2. Klasse wurden die Jahre der Sesshaftigkeit mehr. Von der 2. bis zur 9.Klasse blieben wir in einer Stadt und von der 9.Klasse bis zum Ende meiner 1.Ausbildung in der nächsten, 500km anderen Stadt, wo wir nur im Umfeld von 10km noch 2mal in der Zeit umzogen.
Damals bemerkte ich schon, dass es anders ist immer die Zugezogene zu sein. Man hat niemanden, den/die man schon seit der Grundschule oder noch länger kennt, es gibt immer wieder was Neues und man muss sich immer wieder mit dem neuen Umfeld, also den neuen Leuten um Einen rum und der neuen Stadt anfreunden.

Doch ich wurde nicht sesshaft.
Nachdem ich meine 1.Ausbildung irgendwie beendet hatte, schrieb ich überall Bewerbungen hin – außer in der Stadt, in der ich wohnte.
Ich glaub meine 1.Fernbeziehung war auch ein Grund. Immerhin hatt ich so die Möglichkeit regelmäßig aus der Stadt rauszukommen – dass ich es nicht mag im Freundeskreis rumgereicht zu werden, wie es bei manchen „Cliquen“ Gang und Gebe ist, lass ich mal dahingestellt.

Ich erhoffte mir schon von klein auf, dass ich irgendwann mal in Norddeutschland an- und vielleicht sogar zu Ruhe kommen könnte, aber die Stellenangebote waren gegen diesen Gedanken und so schaffte ich „nur“ einen Sprung 200km weit weg. Für den Anfang auch gar nicht so schlecht, denn so konnt ich in mein gewohntes Umfeld zurück wie ich lustig war.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich somit 3 Orte, die irgendwo mein zuhause waren:
Die Stadt, die auf meinem Perso eingetragen war,
die, in der ich die bisher längste Zeit meines Lebens EIN Umfeld hatte, in der meine Mam und meine engsten Freunde wohnten und die, die eine (egal welche direkt) im Norden, in der ich mir meine ruhige Zukunft erhoffte – schön war für mich immer der Gedanke, dass es meine Geburtststadt Hamburg werden könnt.
In dieser Stadt, in die ich zog, fühlte ich mich sehr schnell schon nicht mehr wohl, wodurch ich immer häufiger wieder übers Wochenende ausbrach und mich schnellstmöglichst wieder weiter weg bewarb.
Das Schicksal – wenn es denn ein solches gibt – war wieder gegen mich und ließ mir nur einen Umzug von 50km weiter weg zu. Ausschlaggebend hierfür waren die Chefs und die Tatsache, die neue Stelle durch den befristeten Vertrag als Sprungbrett nutzen zu können, denn was ist schon ein Jahr, wenn man mehr als 20Jahre gewartet hat?
In der Zeit habe ich viel gelernt und mich und mein Umfeld stark verändert. Ich nahm konsequenter Abstand von Leuten, die es nicht wert waren als Freunde oder auch nur Bekannte betitelt zu werden und ich erfuhr was es heißt ein gutes Betriebsklima zu haben.
Aber ich lernte noch etwas:
Das es mehr gibt, als sich in einer Stadt wohl zu fühlen – nämlich sich bei jemandem bzw in den Augen von jemandem daheim zu fühlen. Diesem „Jemand“ kam ich in dieser Zeit auch näher. Das dieser „Jemand“ in meiner Heimatstadt wohnt war wohl Glück.. oder doch Schicksal?
Wie kann man sich in einer Stadt, wo man nur eine „Bezugsperson“ hat wohler fühlen als in allen anderen Städten mit/ohne Familie und oder Freunden zuvor?
Wie kann man, wenn man auf dem Rückweg in die eigene Wohnung ist nach einem Wochenende weit weit weg, mehr das Gefühl haben von daheim wegzufahren als nach Hause zu kommen?
Ich weiß es nicht. Aber ich habe es erlebt.

..und ich möchte es nicht missen..

..denn hier bin ich zuHHause.

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„Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben.“ [Goethe]

Nun ist der Tag vorbeigezogen.

Der Tag X.

Der Tag, an dem ich ihm „Lebewohl“ sagen mußte.

„Lebewohl“? Wie unpassend, wenn es um den Tod geht.

Den einen Tod, von dem ich wusste, er wird einer der drei schwersten Verabschiedungen meines Lebens. Alles was zuvor passierte ging mehr oder weniger gut an mir vorbei. Ich war noch jung und hatte mehr Energie zu Verdrängen. Doch bei ihm wusste ich, dass das nicht gehen wird. Immerhin war er mein erstes richtiges „Eigenes“.

Natürlich habe ich es versucht so gut wie möglich und am besten für ihn zu machen. Mein Kopf weiß das und der Tierarzt wohl auch. Ich war es ja auch, die die Verantwortung hatte. Die über Leben oder Tod entscheiden musste und es letztendlich auch tat. Ich hatte mich von meinem Bauch und der Forschung zu Hoffnung verleiten lassen, die mir gleichzeitig ein Wochenende Zeit zum Abschied nehmen ermöglichten. Ein Wochenende. Das letzte Wochenende von über 7 langen Jahren.

Über eine Woche spielten sich in meinem Kopf Dauerschleifen ab, von den schönen Tagen mit dem Kleinen. Wie ich ihn das erste Mal in die Hand gedrückt bekommen hatte. An einem Bahnhof. Als ob man einen Dealer treffen würde. Aber es war ja auch ein Deal für mich. Verbotene Ware, da ich erst ausziehen musste, um ihn mir anschaffen zu können. Sie brachte mir meinen Stinker. 8 Wochen alt und in einem Pappkarton im Kofferraum eines Kombis war er. Der Letzte seines Wurfs und ich wollte ihn eigentlich doch gar nicht, weil er männlich und farblich nichts Besonderes war. Doch ein Blick und ein Schnüffeln im Ohr und schon saß er mit mir im Zug nach Hause. Für mich war klar, dass er etwas ganz Außergewöhnliches sein muss. Meine Mutter war zutiefst schockiert, aber auch das war mir egal, denn ich hatte ihn und er mich. Wir waren unzertrennlich. Im Beutel meines Pullis kam er überall mithin. Sein Geschirr akzeptierte er vom 1. Tag an und so konnte der gemeinsamen Freiheit nichts mehr im Wege stehen. Nur meine Idee, ihm eine Freundin zu organisieren, schien mir besser zu gefallen als ihm. Aber ihm blieb keine andere Wahl. Auch die Zugfahrten zur Oma machte er mit, als wäre es die normalste Sache der Welt – immerhin konnte er bei Oma frei auf dem Balkon urlauben. Beim Spielen verfehlte er nie ein Tisch-/Stuhlbein. Fußgänger hielten ihn für die verschiedensten Tierarten – von Dachs bis Pandababy war alles dabei und wenn er endlich mal ausgepowert oder unterm Pulli verschwunden war, zählten Streicheleinheiten zu seiner Lieblingsbeschäftigung. Von Ratten bis Hunden – er liebte alle Tiere und ich glaube bis heute, dass er sich über seine Herkunft und seine Größe nicht ganz im Klaren war.

Doch sobald ich wieder zurück in der Realität war und in sein Gesicht sah, war mir bewusst, dass er aufgegeben hat. Die Lebensfreude war erloschen. Außer Schlafen und gestreichelt werden gab es nichts mehr für ihn – oder es ging nicht mehr anders.

Der letzte Weg zum Tierarzt war der Längste inkl. der Zeit im Wartezimmer.

Doch dann ging es ganz schnell. Viel zu schnell. Der Tierarzt überlegte, was er noch alles machen und testen könnte und fragte, ob ich überhaupt noch Hoffnung sehen würde und ich antwortete nur, dass er schon aufgegeben hat und ich ihn nicht länger leiden lassen möchte.

Er schlief in meinen Händen ein. Es war das Einzige, was ich ihm noch Gutes tun konnte. Auf dem Rückweg wurde er gleich zu seinem Platz gebracht, wo er den Frieden finden kann. Mit viel Liebe von nahestehenden Personen unter- und gestützt.

Der Tierarzt hatte noch ein letztes Mal in sein Maul gesehen, als alles entspannt war und dabei die Diagnose gefestigt, dass er verkrebst war. Bis ans hinterste Ende der Zunge.

Scheiß Krebs! Was machst du!? Warum hast du soviel Geschmack, dass du dir immer die Guten nimmst?!

<3Meiner war immer bei mir. Die ganze Zeit. Jede Minute. Unterstützte mich so gut es ging und fängt mich jetzt noch auf, wenn ich einen „Rückschlag“ erleide. Doch ich möchte nicht mehr leiden. Es hat doch keinen Sinn. Wie kann man sich bewusst sein, das Richtige gemacht zu haben und dass es keine andere Chance, außer ihn leiden zu lassen, gegeben hätte, und gleichzeitig so tief fallen und innerlich leiden? Wobei, ich leide nicht. Nicht wirklich zumindest. Ich bin eher von Leere befallen. Tiefer Leere. Mir wurde ein Stück meines Herzens amputiert und das ist nicht ersetzbar. Vielleicht heilt es ein wenig oder ich gewöhne mich daran, aber momentan ist es ein sehr leeres Gefühl.

Ich ertappe mich immer noch dabei, wenn ich nacHHause komme, dass ich im ersten Moment Richtung Büro laufe, um nur einen kleinen Blick auf den Stinker zu werfen und dann bremse ich erschrocken ab und mache ganz schnell etwas anderes, um mir selbst zu zeigen, dass ich das gar nicht vorhatte.

Wie schaffen das Andere? Abgesehn davon, dass man keinen Verlust mit einem Anderen vergleichen kann und dass es ja „ganz natürlich“ ist, dass ein Lebewesen auch im Alter mal stirbt oder schwer krank wird.

Ich habe einen kleinen Teil meines Sinns vom Leben verloren…

Doch ich wohne mit einem viel größeren und hoffentlich länger anhaltendem Sinn meines Lebens zusammen und ihm zuliebe muss ich langsam aber sicher wieder mein Leben in den Griff bekommen und nicht nur roboterartig bewältigen.

Ein größerer Verlust zeigt umso mehr, wie kostbar unsere Zeit doch ist und wenn ich diese Kostbarkeit, jemandem schenken und mit jemandem verbringen möchte, dann mit <3Meinem.

nibbler3

+++ Ruhe in Frieden, kleiner Stinker aka Teil meines Lebens +++

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„Herzfriedensbruch“

Im Zug auf dem Weg 650km weg von dir

650 Kilometer

Die Angabe zum Bemessen einer Entfernung, die uns in wenigen Stunden laut Landkarte trennen wird.

Jeder Meter, der es mehr wird, zieht in meinem Herzen wie zähes Kaugummi.

Die 200km/h des ICEs spiegeln nicht die Geschwindigkeit meiner Gedanken wieder.

Überglückliche, dankbare Gedanken rangeln sich mit sehnsüchtigen, betrübten Gedanken um die Pole-Position in meinem Kopf.

Ein Lächeln:

Hätte man mir in den letzten 3 Jahren gesagt: „Du verliebst dich noch EIN Mal.. ein letztes Mal.. und es wird dir vorkommen, als hättest du zuvor noch nie geliebt.. nie gelitten.. es wird dir alles zeigen und geben wonach du immer gesucht hast und darüber hinaus..“ ich hätte die Person wohl zumindest ausgelacht.

Doch dann kamst du.

Ganz nebenbei und unauffällig bei einem Festival auf mich zu, nachdem wir uns ein Mal beim Weggehen gegenseitig „bemerkt“ hatten.

Sympathie war gleich vorhanden und von meinen männlichen Begleitern warst du auch sofort akzeptiert, dennoch versuchte ich dich anfangs etwas auf Abstand zu halten und machte mir erstrecht keine Hoffnungen, da ich zu der Zeit auf dem Trip „Platonische Freundschaften zu Kerlen sind die besseren Freundschaften“ war.

Ich frag mich bis heute insgeheim wie du das geschafft hast und was es war, dass du geschafft hast, um dieses Ergebnis so vollendet hinzubekommen – hatte kurzzeitig sogar Verschwörungstheorien.

Oder war es „einfach“ nur das, was viele gerne als „Schicksal“ bezeichnen?

Der Moment auf dem Festival als ich gestand, dass ich eine Schwäche für Bassisten habe, du gerade um die Ecke bogst und laut verkündetest, dass du Bass spielst.

Die Nacht, wo ich eine super schöne Zeit mit „meinen“ Jungs hatte, aber nur der Gedanke, wie schön es wäre wenn du auch noch dabei wärest, meinem Gesicht genau das Lächeln aufsetzte, dass du so sehr magst und mich dir die Zeilen schreiben ließ „Hätte ich einen Wunsch frei jetzt und hier, würde ich mir wünschen du wärst bei mir“ – obwohl ich da noch wirklich überzeugt war auf rein platonischer Freundschaftsbasis zu handeln – seltsam platonisch, aber platonisch!

Ab dem Abend wiederholte und verstärkte sich diese „Sehnsucht“ nach deiner Anwesenheit (ja, Anwesenheit – nicht nach deinem Körper o. ä.), einfach nach dem „dich in der Nähe haben und dich anschauen können“. Wir schrieben uns hin und wieder, doch richtig regelmäßig und intensiv war das nicht.

Erst nachdem ich meinen Umzug hinter mich gebracht hatte und mein bester Freund dich endlich mit mir besuchen wollte und konnte, wurde der Kontakt mehr.

Ein Telefonanruf hier, eine Mail dort und dann das langersehnte Wiedersehen.

Ich muss gestehen. Wo mir an dem Wochenende der Kopf stand weiß ich bis heute nicht. Total hin und her gerissen hatte ich einerseits Bedenken, deinen Umgang mit mir falsch zu verstehen, auf der anderen Seite war ich mir nicht sicher, ob ich es insgeheim doch nicht vielleicht etwas hoffte? Und in dem Moment, wo ich es wohl hätte erkennen müssen, da du auf ein eventuelles „uns“ anspieltest, registrierte ich es gar nicht.

Dafür umso mehr unseren Abschied am Bahnhof.

Heißt es nicht, länger als 2 Sekunden küssen oder umarmen ist ein Zeichen der Zuneigung? Ich hätte dich stundenlang festhalten können. Dort auf dem Gleis. Kurz vor der Abfahrt des ICEs.

Nach dem Wochenende wurde die Sehnsucht schon sehr anstrengend. Mein Verstand spielte mir Streiche und ich fühlte mich wie eine pubertäre 15jährige, die nicht weiß wie sie mit ihren Launen umgehen soll.

Allerdings war ich immer noch der festen Annahme, dass es sich alles rein freundschaftlich – eine ganz besondere Art der Freundschaft – abspielt.

Bis du mir gestehen musstest, dass du dich in mich verliebt hast. In dem Moment hatte ich auch wieder mit allem gerechnet – außer dem!

Ich weiß nicht, wann ich zuletzt aus Erleichterung und Freude so viele Tränen vergossen habe, aber ich danke dir dafür.

Ebenso für all die wundervollen Glücks- und Freudentränen die du mir seitdem beschert hast.

Doch dann kam die Zeit der schlechten Gedanken:

Wir beide haben nicht gerade die einfachsten Altlasten mit uns rumgetragen bzw. immer noch damit zu tun.

Über meine Vergangenheit bin ich mir bewusst, wenn auch natürlich nicht stolz drauf und besorgt, dass es dir zuviel werden könnt oder dir was passiert, aber als ich deine Altlasten direkt am Anfang unserer „(un-)endlichen“ Zusammenkunft etwas miterleben und kennenlernen durfte, war ich mir nicht sicher, ob du bereit bist für „uns“ oder ob wir einfach zu viele schwierige Hindernisse am Anfang unseres jungen Glücks überwinden müssen.

Dazu zähle ich auch meine Zeit im Krankenhaus, wo ich mir nicht sicher war ob und wie unsere Zukunft aussehen kann/wird/darf.

Ich weiß nicht, wie du es gemerkt hast, (denn anders konnte und kann ich mir deine wundervollen Reaktionen oft nicht erklären,) aber du wusstest und weißt genau, wie du mit mir umzugehen hast, wie du mich beruhigen und mir dieses unbeschreibliche Gefühl der Geborgenheit vermitteln und versichern kannst und das oft ganz ohne Worte.

Ist das diese LIEBE, wovon alle reden? Trotz Enttäuschungen, Angst und einem wirklich großen Knall eine Person lieben zu können und ihr das Gefühl zu geben sie wäre perfekt? Die persönliche Königin, die jedes Mädchen gerne irgendwann für ihren Freund/Mann sein möchte? Der Held des RLs zu sein, der vor allen bösen, dunklen Menschen und Mächten beschützt und rettet so gut es geht?

Der Mann zu sein, den frau sich am liebsten schon in Teenie-Zeiten als Poster übers Bett gehängt hätte, weil er mindestens genauso unerreichbar schien wie irgendein Superstar oder gar eine Fabelfigur?

Ich weiß es nicht. Wie du weißt, weiß ich generell nicht besonders viel. Privat bin ich etwas sehr.. nennen wir es verplant und tollpatschig.

Aber wenn ich etwas weiß, dann dass, was ich dir damals – ganz am Anfang – an einem unserer ersten Wochenenden zuHHause gesagt habe: Es fühlt sich richtig an! Du fühlst dich richtig an! Dir in deine strahlenden Augen schauen und dein Lächeln zu sehen ist wie der Trank für die Gummibärenbande. Das Aurin für Bastian, welches ihm Phantasien zeigt. Wenn ich bei dir bin fühl ich mich wie Peter Pan im Neverland. Ich bin Elliot und du mein Peter. Du bist der, den ich nie wieder missen möchte, weil mein Herz ohne dich aufhört zu schlagen und du meinem Leben jegliche Freude und das Strahlen entreißen würdest, wenn du fort gingest und ich nun weiß, wie es sein könnte, aber nicht mehr ist.

Und nun sitze ich hier im Zug nach weit weit weg von dir und zähle die Tage bis wir wieder zusammen sind mindestens so sehr wie die Tage bis ich endlich zu dir nacHHause ziehe.

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„Luft machen“

Es war einer dieser Tage an denen du das Gefühl hast die Welt sei gegen dich, raubt dir jegliche Hoffnung und Kraft. Du weißt weder vor noch zurück. Weißt nicht, welcher Schritt nun der Richtige wäre und rechnest generell mit dem Schlimmsten – begegnest deiner Umwelt mit Misstrauen.

Selbst das Wetter scheint sich gegen dich verschworen zu haben. Grau und diesig, mit hin und wieder einem Regenschauer, versucht es gar nicht erst dich aus deinem Versteck herauszulocken und dir die Welt und das Leben wieder schmackhaft zu machen.

Du arbeitest und lebst nur noch als Maschine – als Roboter der Gesellschaft – für deinen Unterhalt, deine Familie und Freunde. Sie sind die Einzigen – der einzige Grund – warum du überhaupt noch Tag für Tag aufstehst, zur Schule bzw. später dann zur Arbeit gehst und versuchst so gut es eben geht, und so unauffällig wie nur möglich, dein Leben zu meistern.

Du möchtest kein Egoist sein. Dich nicht aus dem Leben „durch eigene Hand“ verabschieden und Ihnen damit Kummer und Leid bereiten.

Lieber eine Maske aufsetzen, die „Spielchen“ des Lebens mitspielen und signalisieren, das alles gut ist. Immerhin sind sie dir wichtiger als du es dir selber bist!

In der „Lernphase“ des Tragens dieser Maske gabs den ein oder anderen Ausrutscher.

Die Ess-Störung kam zuerst. Natürlich war es falsch sie sich überhaupt anzueignen und es war klar, dass sie mindestens einer der dir so nahe stehenden Personen früher oder später weh tun würde, aber in den Minuten des Essens bzw. viel mehr des Fressens ging es dir gut. Das du dich danach im Gegensatz zu vielen anderen Menschen nicht erbrechen konntest und wimmernd vor der Toilette kauertest, war der Moment, der dich jedes Mal wieder in die Realität zurückholte, aber der dich dennoch nicht davon abbrachte, diese Prozedur immer und immer wieder, Tag für Tag, über Monate hinweg, zu wiederholen. Sogar nicht ganz unüberlegt, denn um es vor deiner Familie zu verheimlichen sammeltest du alle Verpackungen deiner Sünden in deinem Zimmer, um sie nach und nach außerhalb der Wohnung in öffentlichen Mülleimern zu entsorgen, bevor jemand etwas bemerken könnte. Zusätzlich stopftest du die normalen Mahlzeiten im familiären Kreis in dich, um auch dort keinen Verdacht zu erwecken. Doch der Tag, an dem die Tarnung aufflog, kam.

Es war ein heller Schrei, der dir durch alle Glieder fuhr, als du im Wohnzimmer saßst und deine Mutter „nur kurz die Wäsche“ in dein Zimmer bringen wollte. Ein Moment, den du nie mehr vergessen wirst, der dir aber auch ermöglichte, von einem Tag auf den nächsten damit aufzuhören und der dir zeigte, dass man selbst von „so etwas“ Entzugserscheinungen bekommen kann.

Der zweite „Fehler“, den du machtest, sorgte (seltsamerweise?) in der Familie für keinen großen Aufschrei – er wurde als „pubertäre Spinnerei“ abgetan. Dieser „Ausbruch“ war das Ritzen. Es begann damit, dass du erkanntest, dass man seelische Schmerzen mit körperlichen etwas „Luft machen“ kann. Anfangs genügten Buchstaben von den Sachen, die dich belasteten, auf den Unterarm zu „schreiben“, doch als du merktest, dass dies viel zu offensichtlich ist und nach „Aufmerksamkeit und Mitleid erwecken“ aussah, machtest du auf deinem Bauch weiter.

Mittlerweile waren wieder einmal mehrere Monate vergangen und du erkanntest deine Liebe zum Tanzen. Jedes Wochenende auf der Tanzfläche alles rauslassen was dich beschäftigte war deine Art der Selbsttherapie. Für unter der Woche hattest du nun eine Reitbeteiligung, mit der du alleine weit raus in die Natur und unter all den positiven Sinnenwahrnehmungen abschalten und frei sein konntest, und nun, am Wochenende, das Tanzen.

Bei einer „Probestunde“ mit einem Therapeuten zu der du dich wegen deiner schlimmen Kindheit und deiner Prüfungsangst breitschlagen ließt, wurdest du gefragt: „Tanzen ist die Spiegelung des Todes, in die Natur raus das  Leben.. Wo sehen Sie sich eher?“

Und deine Antwort war: „Kein Leben ohne Tod.. so geht es mir besser.“

Mehr sagtest du ihm nicht. Kratztest nur etwas an mehr oder weniger normale Kindheitstraumen an, um ihm etwas zu bieten und nicht als „Verweigerin“ dazustehen. Sein Rat war, dich in psychologische Betreuung zu begeben – das hättest du nötig. Doch, wenn er nun schon sagt, dass das nötig wäre, was würde dann jemand sagen, dem du alles offen legst?

Du gingst nie wieder in eine solche Stunde und du hast es geschafft durch Tanzen und Reiten mit dem Ritzen aufzuhören und wurdest nur ein einziges Mal rückfällig, obwohl dein Leben weiterhin einige Tiefpunkte erlitt und du hin und wieder doch den Gedanken verspürtest, dass es jetzt so ein Moment wäre, wo du es wieder tun könntest.

Aber woher auch immer – wahrscheinlich weil du Menschen um dich hattest, die du mehr liebtest als du dich wohl je selber lieben könntest – hattest du irgendwann begonnen wieder Hoffnung zu schöpfen.

Vielleicht zogst du dich mit der Aufgabe, den Menschen zu helfen und sie glücklich zu machen, selber aus deinem eigenen Loch und schnapptest etwas von dem auf, was du bis dato noch nicht wirklich als real empfandest: Optimismus und Lebensfreude.

Du lerntest von klein auf wie schmerzhaft Enttäuschungen von Menschen sein können, die man über sich selbst gestellt hat und dass es Momente im Leben gibt, wo wieder einmal alles schlecht und die Welt trist und grau ist. Momente, wo das Herz so bricht, dass man denkt es zerreißt Einen komplett und ist nie wieder heilbar – nie wieder fähig so zu fühlen und jemandem Vertrauen zu schenken. Man baut sich aus diesem Grund eine riesige Schutzmauer, da es scheinbar sonst keinen anderen Ausweg gibt, um eine Wiederholung zu vermeiden.

Doch es ist heilbar und es kommen auch wieder schönere Momente – es dauert nur alles seine Zeit. Jede Heilung braucht je nach Verletzung unterschiedlich lang – sowohl körperlich als auch seelisch.

Dadurch, dass du das begriffen hast, lerntest du auch wieder dich an Kleinigkeiten zu erfreuen. Natürlich hast du auch Tage wie diesen, an denen du dich mal zurückziehst und soziale Kontakte meidest, um mit dir (und deinem Selbstmitleid) alleine zu sein, aber nur, um baldmöglichst wieder dem Tag, der Sonne, den Mitmenschen, wenn nicht sogar der ganzen Welt mit Optimismus, Lebensfreude und einem Lächeln entgegenzutreten!

Denn wie dein Opa schon sagte: Früher oder später erntet jede/r, was er/sie säät!